Wir sind spät dran. Ich laufe zur Mietwagenrückgabe, Steffi zum Check-In. In zwanzig Minuten geht unser Flug zurück auf Oahu. Die junge Frau am Schalter versucht mir verzweifelt zu erklären, dass ich noch einen Tag bezahlen muss. Ja, das ist die richtige Rechnung. Ja, wir haben bei der Übernahme des Autos vier Tage bezahlt. Ein Tag ist trotzdem noch offen. Ich verstehe nur Bahnhof. Plötzlich läuft mir Steffi aufgebracht entgegen, es gibt ein Problem mit unseren Tickets. Unsere Buchungen scheinen nirgends auf. Was ist da los?

Ein zufälliger Blick auf das Datum offenbart das Problem. Es ist nicht Donnerstag, sondern Freitag! Wir haben einen ganzen Tag verpasst! Unsere Flüge nach Los Angeles, London und Wien gehen schon H-E-U-T-E ! Hilfe, unser halbes Gepäck ist noch in einem Hostel in Honolulu! Und eine Flugverschiebung kostet uns mindestens 1200 Euro! Wuah, wie konnte uns das passieren?!?

Willkommen im LAnd von Aloha, Lei und Hula

Zurück zum Anfang. Nach 26 Stunden und einer nächtlichen Odyssee in Los Angeles bin ich froh in Honolulu anzukommen. Schon am Flughafen tauche ich in den Hawaiianischen Spirit ein, als ich wie immer nach einem Flug dringend das stille Örtchen aufsuche. Die Dame am Türschild trägt ein buntes Blumenkleid und die traditionelle Blumenkette. Hier bin ich richtig.

Auch der Busfahrer trägt ein geblümtes Hemd. Am Weg zum Hostel fährt der Bus an der Geburtsklinik von Barack Obama vorbei. Warum auch immer gibt mir das ein gutes Gefühl. Das ist nicht meine erste Reise in ein Land mit Palmen und türkisblauem Meer. Aber die Stimmung ist hier definitiv anders als in Thailand, Mallorca oder Fuerte Ventura. Es fühlt sich alles so eigenartig frei und dennoch eng miteinander verbunden an.

das alte honolulu, Waikiki & Diamond head

Steffi macht ihren Zeitsprung über die Datumsgrenze von Neuseeland nach Hawaii erst morgen. Also schlendere ich alleine durch das alte Honolulu und bekomme einen ersten Eindruck von der symbolträchtigen und farbenprächtigen Welt. Vorbei am Iolani-Palast, laut Reiseführer „das symbolische und emotionale Herz Hawaiis“. Gegenüber liegt das State Capitol, dessen Bauweise die hawaiianischen Symbole beinhalten soll: „Die Säulen gleichen Palmen, die konischen Gebäudeteile Vulkanen, und der nach oben offene Innenhof verweist auf die durchlässige Gesellschaftsstruktur Hawaiis. Der ganze Komplex ist von Wasserbecken umgeben – so wie die Inseln von Wasser umgeben sind.“

Von der Altstadt schlendere ich weiter durch das bunte Chinatown, vorbei am Oahu Market, der leider gerade schließt, zum Aloha Tower im Honolulu Harbor. Der Turm interessiert mich eigentlich nur wegen seinem Namen. Zurück gehe ich barfuß über den Strand mit Blick auf Waikiki und den Diamond Head.

Am Abend formiert sich eine Gruppe Hula-Tänzerinnen am Kuhio Beach und animiert die Touris zum Mittanzen. Zunächst ist die Musik noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber lässt man sich darauf ein, ist man schnell auf der richtigen Welle. Das muss auch so sein, denn die Hula-Musik begleitet uns auf der gesamten Reise.

„Hula ist die Sprache des Herzens und deshalb der Herzschlag des hawaiischen Volkes“ (König Kalakaua).

Im Stadtteil Manor begegne ich Ghandi neben riesigen, ziemlich weird ausschauenden Bäumen. Ich muss mächtig dämlich geschaut haben, weil mich ein freundlicher Herr gefragt hat, ob ich diese Bäume das erste Mal sehe.

Mit dem Bus einmal rund um Oahu

Wiedersehensfreude mit Steffi. Nachdem wir das Honoluler Pflichtprogramm Diamond Head und Pearl Harbor erledigt haben, widmen wir uns dem Rest der Insel. Angeblich kommen auf Oahu zu den 1 Million Einwohnern täglich 83.000 Touristen. Glücklicherweise halten sich die meisten davon nicht dort auf, wo wir sind. Die wenigsten treffen wir in öffentlichen Bussen. Dabei bieten öffentliche Verkehrsmittel einen herrlichen Einblick in das hiesige Leben.

Blick vom Diamond Head auf Waikiki

Auf den ersten Fahrten sind wir noch damit beschäftigt, uns vor dem Erfrieren zu retten. Die Klimaanlagen sind nicht auf Kühlung, sondern auf Gefrierfach gestellt. Aus Ermangelung an Hauben und Handschuhen wärmen wir uns mit mehreren Handtuch-Lagen.

Die Buskultur ändert sich von Station zu Station. Vor einem Markt verwandelt sich der Bus in eine Hochburg weißer, raschelnder Sackerl und umher rollender Kartoffel. Da haben wir schnell mal ein paar Sackerl am Schoß. Später beginnt ein älterer, hagerer Mann im Rollstuhl lauthals zu rappen. Drei Reihen dahinter steigt ein Jugendlicher darauf ein und wir kommen in den Genuss eines Battle-Rap. Als Ersterer sich dann rhythmisch aus dem Bus rollt, klatschen alle Sitzengebliebenen ob der spontanen Vorführung.

Windward Side

Irgendwann bleiben wir ganz alleine im Bus übrig und landen auf einer abgelegenen Endstation, bei einem verlassenen Hotel in brütender Hitze, inmitten von haushohen Kakteen. Da der Bus erst in einer Stunde wieder fährt und es hier weit und breit kein Leben gibt, gehen wir eine gefühlte drei Stunden Richtung Meer, wir haben eindeutig zu wenig Wasser mit. Die Erleichterung ist groß, als wir einen schönen Sandstrand und eine neue Busstation Richtung heimwärts finden.

Irgendwo im Norden

Im LAND DER MORMONEN

Einmal folgen wir einer ganzen Schar Touristen aus dem Bus. Irgendetwas Sehenswertes muss hier wohl sein. Das Polynesian Cultural Center. Hier tauchen wir in die farbenprächtige Kultur der unterschiedlichen polynesischen Inseln ein. Musik, Tanz, Hütten, Essen und Handwerkskunst zum Selbermachen. Wir flechten Fische aus Palmenblättern, rudern mit dem Kanu durch den Urwald, klettern auf eine Palme – naja, hier bleibt es bei einem kläglichen Versuch – und üben uns im Trommeln.

Am Ende steigen wir unbedarft in einen Bummelzug – und landen bei den Mormonen. Zwei junge Frauen in einer biederen Uniform erzählen uns, dass das Polynesian Cultural Center 1963 von der Kirche als Touristenattraktion gegründet wurde. Mit der Vorführung von Geschichte und Tradition zahlen die Student*innen der dahinter gelegenen Mormonen-Universität ihre Studiengebühren ab. Der beeindruckende Laie Hawaii Tempel darf nur von Mormonen betreten werden. Wir werden in das angrenzende Besucherzentrum geführt, wo uns ein Film und eine Ausstellung über den mormonischen Glauben erwarten. Ein eigenartiges Gefühl beschleicht uns. Während uns die jungen Frauen flüsternd herumführen, werden wir bzw. vielmehr unsere jungen Führerinnen von älteren, ernsten Menschen in kirchlicher Uniform beobachtet. Wir sind froh wieder in die bunte Welt zurück zu fahren.

Couchsurfing auf Big Island

Für die ersten zwei Nächte auf Big Island haben wir uns eine Couch bei Bob reserviert. Bob, knapp 70 Jahre alt, lebt in einem kleinen Häuschen in Hilo. In seinem kleinen Garten züchtet er Bananen, die er mit seiner Nachbarin teilt. Im Gegenzug wird er von ihr mit leckerem Bananenbrot versorgt. Er beherbergt gerne Couchsurfer*innen aus aller Welt. Mit uns sind noch zwei Mädels aus Deutschland und Spanien da.

Am Abend kochen wir zusammen und Bob beginnt zu erzählen. Über seine Kindheit bei den Mormonen und wie er mit 16 Jahren seine Familie verlassen hat, um aus der Kirche auszusteigen. Erst Jahrzehnte später hatte er wieder Kontakt zu einzelnen Familienmitgliedern. Er erzählt uns über seine Karriere in den USA und seinen Ausstieg auf Big Island. Big Island sei das Pensionistenheim der US-Amerikaner. Von Alter ist bei Bob nichts zu spüren. Bis spät in die Nacht tanzen wir zu lauter Musik durch die Wohnküche.

Vulkane, Hippie-dörfer und macadamia-Nüsse

Mit dem Mietauto fahren wir kreuz und quer über die Insel. Es würde den Rahmen sprengen alles zu beschreiben, was wir gesehen und erlebt haben. Daher beschränke ich mich auszugsweise auf eine Bilderstrecke.

Von den Rainbow- und Akaka Falls geht es entlang der malerischen Hamakua-Küste durch bunt angestrichene Hippie-Dörfer mit verträumten Antiquitätenläden und 50er-Jahre-Diner.

Wir bewundern schwarze Strände am Waipio Valley und im Kohala Forest Reserve. In Waimea schnuppern wir Cowboy-Luft und freuen uns ausgehungert über einen großen Supermarkt. Bisher haben wir die sporadischen Öffnungszeiten der kleinen Lebensmittelläden fast immer verpasst.

Kohala Forest Reserve

Waimea

In Kailua-Kona werden wir in die hohe Kunst des Kaffeeröstens eingeführt. Im Puuhonua o Honaunau National Historical Park gehen wir ehrfürchtig an den grimmigen Götzen vorbei, die das Heiligtum bewachen. Aus sicherer Entfernung beobachten wir geschützte Meeresschildkröten, wie sie ihre Eier im warmen Sand ablegen.

Das Surfen überlassen wir getrost den anderen. Vor den riesigen Wellen haben wir ordentlich Respekt. Wir beobachten lieber, wie die Sonne im Meer versinkt.

Am Kalae, dem südlichsten Punkt der USA, fürchten wir uns durch einen stillgelegten Windpark und hoffen inständig, dass unser Auto die steinige Straße überlebt. Wir wollen nicht von ausgezehrten Kreaturen gefressen werden. Wieder einmal schwören wir uns, nie wieder Horrorfilme zu schauen.

South Point

Im Hawaii Volcanoes National Park spazieren wir nach einer kurzen Gefahrenschulung durch die Parkranger über den aktivsten Vulkan der Erde, den Kilauea. 1982 wurde der Nationalpark zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt. Das Lava, das stetig ins Meer fließt und dort erhärtet, hat die Insel schon um 20 Hektar wachsen lassen. Bevor wir durch den riesigen Krater wandern, erhaschen wir vom Kilaua Iki Overlook einen kurzen Blick auf die rote Lava.

Im Ahalanui Beach Park in der Nähe des Hippie-Städtchens Pahoa baden wir in einem Thermalsee direkt am Meer. Hier wachsen meine Lieblingsnüsse, die Macadamia. In der nahegelegenen Mauna Loa Macadamia Nut Factory schlagen wir uns die Bäuche mit Nüssen und Schokolade voll.

Vielleicht vernebelt uns das die Sinne. Während wir schon längst wieder in Honolulu sein sollten, stopfen wir die letzten Löcher in unserem Koffer mit bunten Kleidern aus einem Outlet-Traum. Am Abend wundern wir uns zwar, warum wir einen Tag zu früh zurück in Hilo sind, denken jedoch nur über eine spontane Schlafmöglichkeit nach. Wir erreichen Bob in einer Karaoke Bar und dürfen nach einem ausgiebigen Tanzabend noch einmal auf seiner Couch nächtigen.

back in time

Im Land der Vielflieger*innen gestaltet sich eine Umbuchung zum Glück recht unbürokratisch. Nachdem wir das Mietauto für unseren überzogenen Tag bezahlt haben (Frühbucherbonus ade), bucht uns die freundliche Stewardess noch zwei Sitze im aktuellen Flug nach Honolulu – dem Einzigen für heute. Abflug in 5 Minuten. Am überschaubaren Terminal wartet schon die Security auf uns. Obwohl sich der Flug schon verspätet, holen sich die freundlichen Securities zwecks Gepäckkontrolle noch meinen kleinen Schlüssel für das noch kleinere Tagebuchschloss, mit dem ich meine Koffer gerne alibimäßig „sichere“. Während der groß gewachsene, muskulöse Mann mit meinem zarten Schlüssel zwischen den Fingern durch die Sitzreihen schlendert, verschwinde ich unauffällig unter den Sitzreihen.

In Honolulu steige ich direkt in den nächsten Flieger nach Los Angeles um. Steffi hat noch drei Stunden Zeit um unser Gepäck zu besorgen, dass wir im Hostel zwischengelagert haben. In L.A. treffen wir uns noch einmal zu einem kurzen Intermezzo, bevor wir in time zurück ins Minus 15 Grad kalte Wien fliegen.

INFOS
  • Hostel in Honolulu: ist leider nicht mehr im Web zu finden.
  • Hostel auf Big Island: Pineapple Park in Kealakekua oder Kona: www.pineapple-park.com
  • Couchsurfing: www.couchsurfing.com 
  • Zitate aus: National Geographic Traveler. Hawaii. 2010.

Claudia