Erste Eindrücke

In Namibia gibt es wahrscheinlich ein einziges elektrisch verriegeltes Gatter. Ungläubig starren wir es an. Müde und hungrig, nach 24 Stunden Reise, nach über 200 gefahrenen Kilometern auf ungewohnten gravel roads, im ungewohnten Linksverkehr. So kurz vor dem Ziel. Das Navy kennt dieses Gatter wohl nicht. Also nochmal 80 km retour nach Windhoek und von dort über die C26 weitere 70 km zur Farm.

Die Sonne geht schon unter, wir haben kein Wasser, keinen Proviant und offensichtlich keine zuverlässige Straßenkarte dabei. Damit verstoßen wir gleich am ersten Tag gegen so ziemlich alle No-Gos, die uns in allen Reiseführern eingetrichtert werden: Fahre nicht in der Dunkelheit! Habe stets ausreichend Wasser mit! Und tanke bei jeder Gelegenheit wieder voll! Immerhin haben wir zwei gefüllte Tanks.

Welcome in Afrika!

Als wir die Einladung auf eine österreichische Farm in Namibia erhalten, müssen wir nicht lange überlegen. So eine Gelegenheit bietet sich nicht alle Tage. Flüge und Auto sind schnell gebucht. Der Rest wird sich schon finden.

Am Flughafen Windhoek erwartet uns Taxifahrer Henry mit einem herzlichen Lächeln. Er passt auf unser Gepäck auf, während wir noch am Flughafen Geld wechseln und bringt uns direkt zur Autovermietung. Als wir auf der falschen Seite ins Auto einsteigen wollen, lacht er verschmitzt: „All people from Europe make the same mistake.“ Hier gilt Linksverkehr. Im Rückspiegel sieht er Chris eine Zigarette wuzeln, also fährt er sofort rechts links ran. „You are in Africa. We have time.“

Regenzeit

Während Chris ein paar entspannte Züge genießt, nützt Henry die Zeit für eine erste Einführung:

  • “Namibia is great, it´s the best choice for your holiday. The only problem we have in the city is theft. Never leave your valueables in the car.“ Er erzählt uns über unbelehrbare TouristInnen, denen schon am ersten Tag die Fotoausrüstung aus dem Auto gestohlen wurde. Außerdem sollen wir immer kontrollieren, ob die Autotüren wirklich versperrt sind. Das Signal der Fernbedienung kann nämlich unterbrochen werden.
  • “Drive safely. Speed limit on the highway is 120, better 100. On the dirty roads 80, better 60.”
  • Und dann erklärt er uns noch ein Verkehrszeichen, das wir noch nie gesehen haben. Ein durchgestrichenes S. „Do you know what this sign means? Don´t stop here. Many tourists stop for a picture where traffic can be really dangerous. So be aware of this sign.”

Drive safely. Leider durften wir nicht stehen bleiben, um ein Foto von besagtem S zu machen 🙂

„If you will pay attention to what I told you, you will have a great time.“ Wir versuchen uns all die Ratschläge zu merken, auch wenn die ersten Paviane auf der Straße unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Bei der Autovermietung folgt die nächste Einschulung. Autogebrauch, Allrad, Dachzelt, Campingausrüstung, Fahrgegebenheiten im Sand, kleine Reparaturen. Reifenpannen sind auf den Schotterstraßen praktisch vorprogrammiert. Daher sind zwei Ersatzreifen im Auto. „Alles klar? Dann viel Spaß.“

Kudu

Die ersten Wildtiere lassen nicht lange auf sich warten. Kudus, Paviane, Springböcke, Warzenschweine, Geier… Am späten Abend landen wir schließlich auf Brigadoon. Wir kommen gerade richtig zum Dinner. Der Herr des Hauses schließt uns fest in die Arme und drückt uns ein Weinglas in die Hand: „Willkommen in Afrika!“

Paviane

Im Busch

Oder: Was isst man denn in Namibia?
Und: Wie GEFÄHRLICH sind Wildtiere wirklich?

Was esse ich als Vegetarierin bloß in einem Land, wo Wildfleisch zur Hauptnahrung zählt und in dem aufgrund der Trockenheit kaum Obst und Gemüse wächst? Diese Frage hat mich schon zu Hause beschäftigt und wird angesichts meines knurrenden Magens wieder aktuell. Logische Antwort: Gemüse. Davon gibt es auch hier reichlich, wenn auch meist aus Südafrika importiert. Auf Farmen wie dieser, wo bewässert wird, gibt es einen kleinen Gemüsegarten, und Zitronenbäume. Die Zitronen werden durch den Fleischwolf gedreht und eingekocht, das ergibt bittersüßes Zitronensirup.

Glücklicherweise bin ich nicht die einzige fleischlose Esserin in der Runde. Wir bekommen verständnisvoll zwei Portionen Beilagen auf den Teller. Chris probiert dagegen jedes Fleisch, das frisch auf den Tisch kommt. Kudu, Oryx-Antilope, Gnu und sogar Zebra – das weltbeste Fleisch. Mehr Bio geht wohl nicht. Die Köchinnen wurden von einem Münchner Sternekoch angelernt, dementsprechend grandios sind die Menüs – inklusive süßer Nachspeisen wie Palatschinken oder Brownies mit flüssigem Schokokern.

Nachdem wir uns ausgeschlafen haben, fahren wir mit in den Busch. Unsere erste Safari. Oder auch unser erster „game drive“, wie die Wildbeobachtung in Namibia genannt wird. Gefahren wird mit einem alten Landcruiser mit Vollgummireifen. Normale Reifen würden im rauen Gelände sofort schlapp machen. Chris fühlt sich wie Mel Gibson in Mad Max. Rumpelnd, quietschend und scheppernd geht es querfeldein auf eine leichte Anhöhe. Plötzlich wird es völlig still, Motor abgestellt, Ferngläser gezückt und schauen. Wir halten den Atem an. Ein paar Springböcke sind in der Entfernung auszumachen. Nichts Interessantes. Also Motor an und quietschend weiter.

Game Drive.

Plötzlich stehen wir wieder still, der Fahrer springt aus dem Auto und öffnet die Motorhaube. Irgendetwas passt nicht. Chris findet den Fehler und bringt den Motor mit einem Stück Holz und einem Stein wieder in Gang. Vielleicht doch Mac Gyver. Neben Springböcken sehen wir Strauße, Zebras und Gnus. Das heutige Objekt der Begierde ist ein Weißschwanzgnu. (Un-)glücklicherweise, je nach Perspektive, versteckt sich der Bulle immer leicht hinter dem Gebüsch. Als würde er die Gefahr ahnen. Die Jäger nehmen es gelassen: „So ist die Jagd.“

Der beste Platz, den Sonnenuntergang zu beobachten, ist am „Mount Hasi“. So wurde der Hügel nach einem Farmgast benannt. Ein bisschen nervös fahren wir das erste Mal ganz alleine mit unserem nicht-vollgummibereiften Toyota durch den Busch. Bitte keine Reifenpanne – und keinem Geparden begegnen. Chris hat großen Respekt vor den Raubkatzen und macht auch mich nervös damit. Ist ja nicht so, dass die eleganten Tiere nicht in unser Schlafzimmer spazieren könnten. Letzte Nacht war nur die Fliegentür angelehnt.

Laut den Einheimischen sind die Wildtiere nur dann gefährlich, wenn sie sich bedroht fühlen. Die meisten Tiere sind scheu und fürchten sich vor Menschen. Zum Glück auch die eineinhalb Meter lange Schlange, auf die ich fast getreten wäre. Die Nachbarfarmer erzählen, dass sich vor Kurzem eine Black Mamba in ihr Haus verirrt hat. Eine der giftigsten Schlangen der Welt. Die Familie schläft weiterhin seelenruhig, obwohl die Schlange dann nicht mehr zu finden war – die Katze übrigens auch nicht. Wenn wir Tiere neben der Straße sehen und langsamer werden, um sie zu beobachten oder zu fotografieren, sind sie schnell weg. Es sind eben keine Zootiere, die an die gaffenden Augen gewöhnt sind.

Wo sind denn die Giraffen, die hier leben sollen?

Afrika für Anfänger

und fortgeschrittene

Jeden Abend versammeln sich die Farmgäste zum gemeinsamen Dinner unter den Palmen, wie eine große Familie. Es werden Neuigkeiten sowie Erlebnisse des Tages ausgetauscht. Wer reist morgen weiter, wer muss vom Flughafen abgeholt werden? Welches Auto muss dringend repariert werden? Welches Fleisch liegt heute am Teller und wie wird es am besten zubereitet? Wie heißen die blauschimmernden Vögel, die wir heute gesehen haben? An welcher Stelle hat sich der junge Hobbyfotograf aus Ungarn aussetzen lassen, und welche Tiere sind ihm dort vor die Linse gelaufen? Für seinen großen Moment sorgt ein Gepard, der einer Herde Gnus auflauert. #shotoftheday

Wir sind nicht die einzigen Afrika-Neulinge. Viele nützen die Gelegenheit, den ersten (oder zweiten, dritten und vierten) Afrika-Urlaub auf der Farm eines Freundes zu beginnen. Es sind sich alle einig, dass Namibia das perfekte Land für das erste Mal ist. Quasi Afrika-Light. Die politische Lage ist stabil, das Land kann bedenkenlos alleine bereist werden, die Touristen sind keiner besonderen Kriminalität ausgesetzt und es sind keine speziellen Impfungen notwendig (Stand Jänner 2018).

Aufgrund der vielen europäischen Einflüsse im Land vermissen wir manchmal sogar den vielbesungenen „Spirit of Africa“. Die Sprache Afrikaans klingt holländisch, viele der AfrikanerInnern sprechen neben Englisch auch Deutsch. Der Superspar in Windhoek hat dieselben Produkte wie der Interspar in Wien, Italien oder Kroatien. Und die „Spezialitäten“ im Süden sind Apfelstrudel, Bratwurst und Burger mit Pommes.

Glanzstar

Trotzdem ist das Einkaufen für uns ein Erlebnis. Unser Einkaufswagen ist bis obenhin voll, weil wir auch für die Farm kiloweise Salat, Gurken und Tomaten mitnehmen. „As much as you can get“ war der Auftrag unserer Köchin. Den haben wir ernst genommen. Für uns ist das Wichtigste Feuerholz für die Campingplätze. Ein paar Bier wären auch fein, die bekommen wir heute aber nicht mehr. Um die Alkoholprobleme im Land zu bekämpfen, wird am Wochenende in den Geschäften kein Alkohol mehr verkauft.


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Namibia (2): Tierische Begegnungen

Namibia (3): Ab in die Wüste

Namibia (4): zurück zum Anfang

Links

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